Radmontage und Fett

  • Hallo Leute
    In Hartwigs Mammutbeitrag hat mir Berny die Frage gestellt, wie man das mit dem Fetten (oder auch nicht fetten) der Radbolzen beim Radwechsel denn „richtig“ macht.
    Es soll nicht so aussehen, als wollte ich mich vor der Antwort drücken, aber ich möchte Hartwig auch nicht alles zersabbern. Daher mache ich ein eigenes Thema auf. Das Thema ist komplexer als man meint.
    Vorab auf diese klare Frage meine klare Antwort: Ich weiß es nicht. Schlimmer noch. Ich glaube, man kann es gar nicht richtig machen. Man sollte es aber auch nicht unnötig falsch machen.
    Ich habe mich mit dem Thema beschäftigt, weil ich gerade dabei bin, bei meinem Transit auf andere Felgen und Felgenbefestigung um zu stellen. Und dabei bin ich auf Dinge gestoßen, über die ich nie nach gedacht hatte.
    Wen es also interessiert, kann weiter lesen und meinen tiefschürfenden Gedanken (für mein Fahrzeug) folgen.

    Wie wird das Rad überhaupt an der Radnabe befestigt??? Ja ja, mit Schrauben oder bei mir mit Muttern.
    Die Muttern ziehen das Rad an die Nabe. Die Mittenzentrierung sorgt formschlüsssig dafür, dass das Rad mittig bleibt. Allerdings muss die Felge so stark an die Radnabe gedrückt werden, dass sie beim Beschleunigen und Bremsen nicht „rutscht“. Dies ist nämlich eine kraftschlüssige Verbindung! Und weil sich das Rad auf der Nabe nicht drehen können darf, brauche ich eine bestimmte Mindestanpresskraft!
    Ich bewirke also mit meinem Drehmoment die erforderliche Anpresskraft an die Radnabe. Das Dumme ist nur, dass dieses vorgeschriebene Anzugsdrehmoment NUR stimmt, solange das Fahrzeug neu ist und alle Reibwerte bleiben wie bei Auslieferung des Fahrzeugs. Das ist aber nicht lange der Fall.
    Bis in alle Ewigkeit soll man aber darauf achten, dass man immer mit korrektem Moment an zieht, jedoch
    o fetten der Stehbolzen/Radschrauben erhöht die Spannung darin. Denn die Schrauben werden bei gleichem Moment weiter ein gedreht und die Anpresskraft der Felge an die Nabe wird erhöht.
    o Rostige Gewinde, rostige Kugelkalotte oder rostige Anlageflächen verringern die Anpresskraft der Felge, führen also gegebenenfalls zum Verdrehen der Felge und zum Versagen der Bolzen/Schrauben auf Grund von Scherung.
    o fetten der Anlagefläche Felge zu Radnabe verschlechtert die formschlüssige Verbindung und kann ebenfalls zum Durchrutschen führen. Die Stehbolzen bzw Radschrauben werden auf Scherung beansprucht, wofür sie in diesem Fall aber nicht gedacht sind.

    Tja, und was nun? Ziel sollte sein, alle Reibwerte in der Größenordnung zu halten, die sie zu Beginn hatten, aber das ist wirklichkeitsfremd. Natürlich ist auch bereits ein Sicherheitsfaktor konstruktiv berücksichtigt. Aber Bolzen-/Schraubenabrisse und verlorene bzw lockere Schrauben/Muttern zeigen, dass dieses Toleranzfenster zwischen zu viel und zu wenig nicht immer eingehalten wird.
    Für mich leite ich daraus folgendes ab
    1. Bei Verwendung von Fett am Gewinde das Drehmoment eher niedriger wählen und nicht „zur Kompensation“ noch erhöhen.
    2. Anders herum bei Verwendung von „reichlich gebrauchten“ Gewinden das Drehmoment eher erhöhen
    3. die Anlagefläche zur Felge nie fetten
    Natürlich spielen die Power und das Belastungsprofil des Fahrzeugs auch noch eine Rolle. Aber wie groß der Einfluss der jeweiligen Parameter ist, wird wohl niemand sagen können.
    Kürzlich entdeckt http://www.cbcity.de/radbolzen-einfetten-gute-idee Hier hat sich jemand auch Gedanken gemacht. Vielleicht rechne ich das für mein Fahrzeug mal aus, damit man die Größenordnung besser erkennen kann. Neugierig bin ich schon.
    In dem Artikel ist auch ein Link zu einem für mich beeindruckenden Video (neu zu Rost ca Faktor 3 in der Anpresskraft)

    Externer Inhalt www.youtube.com
    Inhalte von externen Seiten werden ohne deine Zustimmung nicht automatisch geladen und angezeigt.
    Durch die Aktivierung der externen Inhalte erklärst du dich damit einverstanden, dass personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu haben wir in unserer Datenschutzerklärung zur Verfügung gestellt.

    So nun langt es wieder
    Gruß Restler

  • Danke Restler für diese Einsichten.
    Ich kann hier noch eine Beobachtung aus einer Reifen Fachwerkstatt neulich beitragen:
    Der Profi schraubt die Felge mit dem Schlagschrauber an, dann holt er den Drehmomentschlüssel und zieht die Muttern an, bis zum Knack und dann locker noch eine 1/4 Umdrehung weiter :shock: , immer nach dem Motto viel hilft viel :roll:

    Gruß, Holger

  • Ich kann ergänzen: mein Profi schmiert auf die Kontaktfläche der Alufelge, wo diese auf der eisernen Radnabe aufliegt, eine weißliche Paste drauf. Begründung: "...damit die Dinger auch wieder abgehen."
    Was das genau ist, weiß ich nicht. Es fühlt sich leicht schmierig an - Fett?

    Gelernt habe ich, unter Androhung von Todestrafe :idea: u. ä.: Radmuttern werden nie gefettet! :roll:

    Gruß,
    Mobilix

    Wenn der Hammer das einzige Werkzeug ist, wird jedes Problem zum Nagel...

  • Mercedes gibt für diverse Verschraubungen zweierlei Anzugsmomente an, trocken / geölt.
    Ich selber fette meine Radschrauben, zumindest jedes zweite mal.

    Gruß Nunmachmal

    Ich habe viel aus meinen Fehlern gelernt, ich glaube ich mache noch einen.

  • Zitat von nunmachmal

    Mercedes gibt für diverse Verschraubungen zweierlei Anzugsmomente an, trocken / geölt.
    Ich selber fette meine Radschrauben, zumindest jedes zweite mal.

    Gruß Nunmachmal

    Und mit wie viel Nm ziehst du sie geölt an ?
    Was stehen denn bei MB für Anzugsmomente für trocken oder fettig ?
    Also bei unserem MB T2 steht das nicht. :!:

    Ich wüsste jetzt nicht ,warum ich die Muttern,oder Bolzen fetten sollte ?

    Leben ,und leben lassen !

  • Es gilt immer die Herstellerangabe! Kommt es dadurch zu Defekten ist das dem egal, füllt ja schließlich seine Kasse.
    Obiges geschildertes überdrehen über das Drehmoment hinaus rüht daher, daß keiner seine Räder nach 50KM nachzieht nach dem Räderwechsel in der Werkstatt, die gehen da auf "Nummer sicher". Selbst wenn das ausdrücklich auf der Rechnung steht, zieht die Werkstatt im Fall der Fälle den Kürzeren!
    Meine Erfahrung: Im PKW-Bereich brauch mans weniger (hier werden, wenn überhaupt, nur formschlüssige Anlagen Alu-Felge > Radnabe geschmiert), im NFZ-Bereich schmiere ich immer.
    In meinen Augen eine wesentliche Frage: wer nutzt überhaupt einen Drehmomentsschlüssel? UND: wer von diesen hat den denn schon mal prüfen lassen? Diese billigen Baumarktdinger habe ich mal geprüft, da kann ich gleich den Drehmomentschlüssel "im Ellbogen" nehmen!
    Alle meine Drehmomentschlüssel werden 1x jährlich geprüft!
    Ich bilde mir aber auch ein, zumindest etwas "mit Hirn" zu arbeiten, bei manchen Anwendungen ziehe ich fester an, manchmal weniger fest (z.B. Spannrollen von Motor-Zahnriemen) als angegeben.

  • Noch eine kleine Ergänzung: meiner Erfahrung nach ist die Belastung auf den Bolzen im Laufe der Zeit wesentlich höher wenn die Schraubverbindung zu lose ist. Erst recht bei bolzenzentrierten Rädern. Das Problem ist, sobald sich da irgendwo was löst wird's ruckzuck kritisch. Die Gewinde sollten selbstverständlich leicht laufen. Kann man einfach testen indem man von Hand die Muttern/Bolzen aufdreht .

  • GM hat dazu ein klares Statement in Benutzerhandbuch: Lightly coat the center of the wheel hub with wheel bearing grease after a wheel change or tire rotation to prevent corrosion or rust build-up. Do not get grease on the flat wheel mounting surface or on the wheel nuts or bolts. Wheel Nut Torque 190Nm.

    Ich wechsle meine Räder seit ich Auto fahre auch mehrheitlich selber und hab noch nie gefettet und bisher keine Probleme. Allfällige leichte Korrosion mit Messingbürste entfernen und gut ist. Natürlich ist Anziehen mit Schlagschrauber tabu und Drehmomentschlüssel pflicht. Ich denke Fett kann auch noch weiter kontraproduktiv sein, dann nämlich wenn die Schrauben im Dreck geschmissen werden und das danach daran kleben bleibt.

    Was ich aber seit 20 Jahren immer mache ist nach einigen km Schrauben kontrollieren. Nachdem mein damaliges Auto im Service war hatte ich nach vielleicht 200 km in jeder Kurve ein komisches Geräusch hinten rechts welches immer stärker wurde...ausgestiegen, nachgeschaut...3 Schrauben verloren, die 4. war auch schon lose sodass sich das Rad seitlich bewegen konnte...vermutlich auf der Bühne angezogen und am Boden vergessen festzuziehen.

    In der Theorie entspricht die Praxis der Theorie...

  • Zitat von Gode_RE

    Fuso gibt in seiner Anleitung ein Anzugsdrehmoment von 490 Nm vor und verbietet ganz ausdrücklich das Fetten der Radmuttern.


    490NM? Alle Achtung! Da sind aber Kräfte an Werk - oder ist das ein Tippfehler?

    Zitat von Hartwig

    werden 1x jährlich geprüft!


    Wo lasse ich die am besten Prüfen? Ist die Abweichung denn immer sehr stark?
    Meiner wird zwar nur zwei - 4 Mal im Jahr genutzt aber dennoch.
    Habe ein Proxxon - der wurde zumindest bei Auslieferung einmal geeicht, lt. Proxxon (Prüfblatt liegt sogar bei)

  • 490Nm müssen dann Schrauben mit M22x1,5 sein.

    Wegen der Dremomentschlüsselprüfnung würde ich einfach ne Werkstatt in deiner Nähe fragen. Ich habe Zugriff auf ein Prüfgerät, kann ich ja mal knipsen...

  • Zitat von Hartwig

    490Nm müssen dann Schrauben mit M22x1,5 sein.
    Wegen der Dremomentschlüsselprüfnung würde ich einfach ne Werkstatt in deiner Nähe fragen. Ich habe Zugriff auf ein Prüfgerät, kann ich ja mal knipsen...

    Ok, gut, stimmt, ich hatte nur den 3,5T Canter vor Augen und war gerade nicht im geistigen Stande über meinen Tellerand zu schauen :) Beim >3,5T klingen die Schraubmaße gar nicht so abwegig.

    Dann werde ich mal die Vertrauenswerkstatt frage.

  • Zitat von Hartwig

    490Nm müssen dann Schrauben mit M22x1,5 sein.

    Wegen der Dremomentschlüsselprüfnung würde ich einfach ne Werkstatt in deiner Nähe fragen. Ich habe Zugriff auf ein Prüfgerät, kann ich ja mal knipsen...


    Das wäre super,Hartwig
    Kannst du evl. einmal prüfen,wie sich das Drehmoment verändert,wenn mit einer langen Verlängerung ,(wie z.B. bei den Zwillingsrädern benötigt ,um an die tief liegenden Muttern zu kommen ) befestigt wird ?

    Leben ,und leben lassen !

  • Zitat von syt

    Kannst du evl. einmal prüfen,wie sich das Drehmoment verändert,wenn mit einer langen Verlängerung ,(wie z.B. bei den Zwillingsrädern benötigt ,um an die tief liegenden Muttern zu kommen ) befestigt wird ?

    Nette Fangfrage :) . Der Drehmomentschlüssel misst das Moment, das du in Richtung Radschraube schickst. Ob du da nun eine kuze oder eine lange Nuss aufsteckst, ob du mit einer 10 cm kurzen oder mit einer 2 m langen Verlängerung arbeitest, ist wurscht. Vorne am Werkzeug "schickst" du immer das von dir aufgebrachte Drehmoment los. Und das möchte Hartwig ja so genau wie möglich messen.
    Das Problem ist, dass wir nie wissen, wieviel von der Kraft (am Hebelarm) dort ankommt, wo wir sie haben wollen. Diese Kraft wird an jeder Reibfäche gebremst. Jeder mm Gewindefäche und jede Anlagefläche der Kugelkalotte bremst die Kraft aus. In deiner Verlängerung hast du keine Reibflächen.
    Ziel des Herstellers ist es, dass das Rad mit genügend großer Kraft an die Radnabe gepresst wird, dass es sich nicht verdreht (kraftschlüssige Verbindung). Es gibt zwar auch Felgen, die eine "Verdrehsicherung" haben, die Radschrauben sollen das Rad allerdings nicht am Verdrehen hindern. Die sollen nur auf Zug beansprucht werden. Leider steht dem Hersteller nur die Hilfsgröße Drehmoment zur Verfügung, obwohl das eigentliche Ziel eine definierte Dehnung der Befestigungsschraube ist.
    Dennoch fand ich das Youtube-Video (Links im ersten Beitrag) beeindruckend. Wenn sich die resultierende Anpresskraft zwischen angerostet und "über Rost gefettet" sich auf das 3-fache erhöht, werde ich vielleicht in Zukunft auf das fetten verzichten.
    Ich wollte eigentlich nach den Formeln im Link das mal für mein Fahrzeug ausrechnen, habe mich aber wohl bei diesem ArcTan-Zeugs verhaspelt. Die Ergebnisse schienen mir nicht plausibel. Vielleicht bringt jemand von euch mehr zu stande.
    Gruß Restler

  • . Der Drehmomentschlüssel misst das Moment, das du in Richtung Radschraube schickst. Ob du da nun eine kuze oder eine lange Nuss aufsteckst, ob du mit einer 10 cm kurzen oder mit einer 2 m langen Verlängerung arbeitest, ist wurscht. Vorne am Werkzeug "schickst" du immer das von dir aufgebrachte Drehmoment los.

    --------------------------------------------------------------------------------------------------------


    Ist es wirklich so,das wenn du eine lange Verlängerung auf die Nuss steckst,und sich die Verlängerung bei der Kraftübertragung zur Nuss verdreht ,also Kraft bei der Verdrehung auf nimmt,kein verlust an Kraft zu messen ist ?
    Das ist doch keine Fangfrage.

    Leben ,und leben lassen !

  • Danke Euch für die anregende Diskussion... Werde mein Radmutterbefestigungsverhalten zukünftig ändern. :shock:

    Aus NRW grüsst Berny.
    --------------------------------------------------------------------------------
    Renault Trafic Hochdach, langer Radstand, Selbstausbau 1992.

  • Hallo syt,
    Ja, ist wirklich so.

    Zitat von syt

    ... und sich die Verlängerung bei der Kraftübertragung zur Nuss verdreht ,also Kraft bei der Verdrehung auf nimmt ...

    Mit "verdreht" meinst du die (nicht sichtbare) Torsion in der Verlängerung (sonst verdreht sich ja nichts).Die nimmt aber keine Kraft auf wie es z.B. durch die Reibung im Gewinde geschieht. Auch die "verdrehte" Verlängerung leitet die Kraft einfach weiter.
    Stell dir vor, du trägst einen 10 kg schweren Eimer voller Wasser. Der Eimer hat einen stabilen Tragebügel, der sich nicht verbiegt. Anschließend tauscht du den dicken Henkel gegen einen schwächeren, der etwas nach gibt. Nach deiner Vorstellung müsste der Eimer Wasser dann weniger als 10 kg wiegen, weil der Henkel "Kraft aufnimmt".
    Ein weiteres Indiz für die Richtigkeit meiner Aussage ist die Tatsache , dass für Soll-Anzugsmomente von Schrauben immer nur EINE Angabe gemacht wird. Würde die Verlängerung "Kraft aufnehmen", müsste eine Liste dabei liegen, welches Moment bei welcher Nuss (lang oder kurz) bzw. bei welcher Verlängerung gültig ist.
    Und deshalb behaupte ich einfach, dass es so ist :wink:.
    Leider ist unser "Problem" nicht, wieviel Drehmoment "losgeschickt" wird, sondern wie tief die Radschraube rein gedreht wird. Und das kann theoretisch bei ein und dem selben Drehmoment zu viel oder zu wenig sein.
    Gruß Restler

Jetzt mitmachen!

Mit einem Benutzerkonto kannst du das womobox Forum noch besser nutzen.
Als registriertes Mitglied kannst du:
- Themen abonnieren und auf dem Laufenden bleiben
- Dich mit anderen Mitgliedern direkt austauschen
- Eigene Beiträge und Themen erstellen